Komplett gelungen: Der anssprechend gestylte eCitaro mit höherem Dach für die E-Bus-typische Ausstattung

 

Technische Zeichnung mit Durchsicht (unten): Die ausgewogene Verteilung der verschiedenen Komponenten läßt sich nachvollziehen

Premiere: Batteriebus eCitaro in Serienausführung

10.7.2018. Es ist gerade vier Monate her, als Mercedes-Benz den Prototypen des eCitaro vorgestellt hatte (siehe Beitrag), nun fuhr der Batteriebus in serienreifer Ausführung vor: Beeindruckend in "Form" und mit flexiblem Energiekonzept.

Optische Reize sind es, die zunächst eine Premiere ausmachen; dies trifft hier nicht nur auf die funkensprühende Show zu, sondern vor allem auf den Hauptdarsteller, der sich nun statt in typischer Prototypen-Manier perfekt gestylt mit einer eleganten Dachverkleidung präsentierte. Dem Design-Team ist es gelungen, Stilmittel des Future-Buses mit der serienmässigen Citaro-Optik formschön zu vereinen. Dass dies nicht nur dem Auge dient, ist klar, denn unter dem höheren Dach (Gesamthöhe 3400 statt  3120 mm) verstecken sich verschiedene elektrische Komponenten wie Batteriemodule, Kühlung und eine ganz spezielle CO2-Klimaanlage. In jeder Hinsicht gelungen, aus Sicht des Autors der schönste Citaro, der je gebaut wurde...

 

Doch von weitaus größerer Bedeutung als das Design ist das Technikpaket, zumindest für die künftigen Betreiber. Die Mannheimer Busbauer haben nämlich den emissionsfrei fahrenden jüngsten Spross der Citaro-Familie in vielfacher Hinsicht offen ausgerichtet. Bedeutet: Die Basisausstattung mit sechs Batteriemodulen (vier im Heck, zwei auf dem Dach) kann den Ansprüchen des Betreibers entsprechend um vier weitere Module auf dem Dach ausgebaut werden; dafür vorgesehen ist der Bereich über der Vorderachse, die in diesem Falle mit 8 t zulässiger Achslast (statt 7,5 t) und größeren Rädern im Format 315/60 R 22,5 (statt 295/70 R 22,5) das Mehrgewicht auffängt. Das Leergewicht beträgt dann – bei einem zulässigem Gesamtgewicht von 19,5 t – etwa 13,44 t, womit in dem 12,14 m langen Zweiachser die Beförderung von bis zu 88 Fahrgästen gewährleistet ist. Damit die erhöhte Dachlast hinsichtlich der Fahreigenschaften erst gar nicht spürbar wird, verfügt das Fahrzeug über eine Wank-Nick-Regelung.

Die derzeit verwendeten Li-NMC-Batterien (Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxide) halten in Maximalausstattung mit 10 Modulen (jeweils rund 25 kWh) insgesamt 243 kWh Energie vor; daraus ergibt sich im Sommer eine nach Sort 2 ausgerichtete garantierte Fahrstrecke von 150 km, im Idealfall sogar 250 km. Für die Reichweite ist die Batteriekapazität allein jedoch nicht enscheidend, vielmehr kommt es auf den Energieverbrauch insgesamt an. Er wird bei einem Stadtbus sehr stark durch die klimatischen Verhältnisse und damit durch die Kühlung und vor allem die Heizung des Innenraums beeinflusst. Im eCitaro kommt daher eine von Konvekta entwickelte Heizungs- und Klimaanlage mit Wärmepumpe zum Einsatz, die in Kombination mit einem ausgeklügelten Thermomanagement neue Maßstäbe setzt. Sämtliche Komponenten, die Wärme erzeugen (vor allem die Batterien), sind miteinander vernetzt und werden exakt nach Bedarf gekühlt. Im Innenraum wird die Leistung von Heizung und Klima kontinuierlich und vorausschauend an den tatsächlichen Bedarf ausgerichtet, wie es auch auf den Frischluftanteil zutrifft. Übermäßiges, großzügiges Aufwärmen oder Kühlen ist somit – selbst temporär – ausgeschlossen. Die aus Erfahrungswerten vorhandene Körperwärme der Personen geht beispielsweise mit in die Kalkulation für das Bordklima ein. Dies funktioniert unter anderem dadurch, dass die jeweils aktuelle Fahrgastanzahl über die Achslastsensoren des ECAS-Systems gemessen wird. Maximale Leistung kann dagegen stets der Fahrer abrufen, der schließlich in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahren muss. Im Vergleich zum aktuellen Citaro mit Verbrennungsmotor sinkt durch das Thermomanagement der Energiebedarf für Heizung, Lüftung und Klimatisierung um rund 40 (!) Prozent. Nur für extreme Kälte empfiehlt sich als Sonderausstattung eine mit fossilem Brennstoff arbeitende Zusatzheizung, die man bei einem emissionsfreien Fahrzeugs ja vom Prinzip her vermeiden will.

 

Batterietechnik nach Wahl?  Deckt der hier vorgestellte eCitaro bereits jetzt – ohne Zwischenladung – 30 Prozent der Anforderungen der Verkehrsbetriebe ab, sollen bereits 2020 LI-NMC-Batterien mit 30 Prozent mehr Leistung zum Einsatz kommen, woraus sich 200 km Reichweite und 50 Prozent Streckenabdeckung ergeben. Mit dieser größeren Batteriekapazität ist auch ein sinnvoller Einstieg für einen Gelenkbus eCitaro G (vorgesehen ab 2020) mit einer angemessenen Reichweite möglich. Diese Batterien sind zu den bisherigen Modulen kompatibel und lassen sich somit auch problemlos austauschen. Die bisherigen, noch leistungsfähigen Akkus könnten beispielsweise im Depot zum Zwischenspeichern von Energie eingesetzt werden. Eine weitere Alternative sollen dann sogenannte Feststoffbatterien sein, die sich durch eine besonders große Lebensdauer sowie eine hohe Energiedichte auszeichnen. Mit einer nominellen Batteriekapazität von rund 400 kWh im Solobus und einer nochmals darüber liegenden Kapazität im Gelenkbus wird der eCitaro dann etwa 70 Prozent aller Anforderungen ohne Zwischenladung abdecken können. Allerdings haben die leistungsstarken Feststoffbatterien – bei denen im Unterschied zu bisherigen Systemen beide Elektroden sowie der Elektrolyt aus festem Material bestehen – den Nachteil hinsichtlich längerer Ladezeiten. Somit werden für Betreiber, die mit Ladestationen auf der Strecke liebäugeln, die weiterhin angebotenen Li-NMC-Batterien empfohlen. Allerdings favorisiert man bei Daimler einen unterbrechungsfreien Einsatz ohne Zwischenstopp an externen Ladestationen. Daher soll ab 2022 zusätzlich ein Range-Extender ("Reichweitenverstärker") in Form einer kompakten Brennstoffzelle (BZ) angeboten werden, womit die BZ-Technik denn endlich auch serienmäßig im Angebot sein wird. Wichtig: In der Kombination Feststoffbatterie und BZ-Technik wird die Reichweite bei 400 km liegen, mit nahezu 100-prozentiger Streckenabdeckung.

Zum Serienanlauf, so wurde es während der Premiere erläutert, ist also zunächst nur die Ladung im Depot vorgesehen. Hierzu verfügt der eCitaro serienmäßig über einen Anschluss für Combo-2-Stecker in Fahrtrichtung rechts über dem vorderen Radlauf, wie es der Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe (VDV) vorgibt. Damit ist die schnellste und gleichzeitig günstigste Variante der Stromversorgung gewährleistet. Systeme mit Zwischenladung werden erst nach Serienanlauf zur Verfügung stehen. Geplant sind dann zwei Varianten: In der Stufe 1 ein fahrzeugfester Stromabnehmer auf dem Dach, in der Stufe 2 Ladeschienen auf dem Dach für eine Aufladung mittels ortsfestem Stromabnehmer einer Ladestation. Für die Montage an Bord ist ein Bereich in Höhe der Vorderachse vorgesehen.

 

Vielfach bewährt: Elektro-Antriebsachse von ZF. Vor lauter interessanter Fakten zur Batterietechnik soll der eigentliche Antrieb nicht übersehen werden: Im eCitaro bringt die Elektroportalachse ZF AVE 130 die Kraft auf die Straße. Die bewährte und mehrfach modifizierte Komplettlösung verfügt beidseitig über radnabennahe Elektromotoren mit jeweils 125 kW Maximalleistung, 485 Nm Motordrehmoment und satten 11.000 Nm direkt an den Rädern. Ohne Kraftzufuhr wechselt der Antrieb in den Generatorbetrieb mit verschiedenen Einstellungen hinsichtlich Rekuperation und damit verbundener Bremswirkung. Auch "Segeln" ist möglich, also Rollen des Fahrzeugs ohne Energieverbrauch, wie es je nach Streckenführung sinnvoll und gleichsam sparsam sein kann. Dem Energiekonzept des Busses entsprechend sind zudem Türen und Lenkung (mit bedarfsgerechter Ansteuerung) elektrisch betrieben.

 

Spezielle Fahrerschulung? Während die Fahrgäste außer den reduzierten Antriebsgeräuschen (und „fehlenden“ Abgasen) keinen Unterschied zum Dieselbus bemerken dürften, muss der Fahrer sich doch an einige neue Funktionen gewöhnen: Anstelle von Drehzahlen wird kontinuierlich über den Stromverbrauch und das Rekuperieren informiert, zudem im zentralen Display der Ladezustand angezeigt. Alles weitere ist wie gehabt und somit den meisten Fahrern vertraut. Allerdings empfiehlt der Hersteller eine Schulung, um beispielsweise das bereits erwähnte „Segeln“ zu trainieren oder das Bremsen vor Ampeln und Haltestellen mittels Rekuperation optimal umzusetzen. Darüber hinaus ist eine spezielle Ausbildung für die Mitarbeiter der Werkstatt unerlässlich, schließlich wird im Bus auch Hochvolttechnik eingesetzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, das alle auf dem Dach installierten Komponenten – außer dem möglichen Stromabnehmer – abgedeckt sind, so dass etwa Regen nichts ausrichten kann und Schnee vor dem Start im Depot sich problemlos vom Dach entfernen lässt.

 

Neu im Fahrgastraum: Auffallend ist das neue Design der Innendecke mit Kassetten über dem Mittelgang sowie geschwungenen Dachrandklappen. Hinter ihnen verbirgt sich eine spezielle Luftführung mit Textilkanälen anstelle der bisherigen Luftkanäle aus Kunststoff. Sie sind nochmals leichter und einfacher zu montieren. Die Kassettenelemente integrieren Innenbeleuchtung und Lautsprecher. Interessant: Das Licht der LED-Lampen wird so gebrochen, dass die Technikmodule auf den Betrachter wie eine homogene Lichtfläche wirken. Vorteil der neuen Innendecke ist neben einem geschlossenen Erscheinungsbild und der neuen Beleuchtung eine deutlich verringerte Anzahl von Einzelteilen. Zusammen mit der neuen Luftführung soll sich daraus auch eine Reduzierung der Innengeräusche ergeben. Neu sind zudem die schwarzen Verkleidungen der Brüstungen und Fenstersäulen. Somit stechen die Fenstersäulen optisch weniger hervor, das Erscheinungsbild der Seitenwände wirkt ruhiger. Während das neue Exterieur exklusiv für den eCitaro entworfen und entwickelt wurde, überträgt Mercedes-Benz die Änderungen im Interieur auf die gesamte Modellreihe.

 

Individuelle Ausstattungen. Da die Entwickler das bewährte Layout des Citaro übernommen haben, bleibt die Aufteilung des Fahrgastraums unverändert im Vergleich zum konventionellen Citaro mit stehendem Motor. Die Passagiere müssen sich nicht umgewöhnen. Das Fahrzeug ist mit zwei oder drei Türen erhältlich. Weiterer Vorteil der Citaro-Plattform: Verkehrsbetriebe können nach wie vor aus einem großen Fundus an Sonderausstattungen wählen und den Bus individualisieren. Beispiele dafür sind Fahrgastsitze, Bodenbeläge, Haltestangen, Kommunikationseinrichtungen, Zielanzeigen oder auch unterschiedlich arbeitende Türsteuerungen.

 

Gesamtsystem „eMobility“. Der batteriebetriebene Citaro ist Teil des Gesamtsystems „eMobility“ von Daimler Buses. Vor der Beschaffung steht die fachkundige Beratung – das sogenannte eMobility Consulting – im Mittelpunkt. Fachleute seitens des Herstellers analysieren jede Linie des Kunden, ein Simulationsprogramm errechnet dann den Strombedarf für die künftigen Elektrobusse im System. Ergebnis dieser Beratung sind präzise Empfehlungen und Kalkulationen zum Energieverbrauch, zur erforderlichen Ladeinfrastruktur und der empfohlenen Anschlussleistung für die Stromversorgung der Depots sowie Empfehlungen für das Lademanagement. Für Service, Wartung und Reparatur steht zukünftig ein spezieller eMobility Service der Dienstleistungsmarke Omniplus zur Verfügung.

Ohne eine gute Partnerschaft zwischen Fahrzeughersteller und Betreiber wird ein Einstieg in die Elektromobiblität im ÖPNV nur schwer zu stemmen sein. Empfehlenswert kann es zudem sein, sich mit anderen Verkehrsbetrieben auszutauschen, die zum Teil schon wertvolle Erfahrungen gesammelt haben.

 

Serienstart noch Ende 2018. Der Countdown für den eCitaro läuft auf Hochtouren: Die Publikumspremiere steht zur IAA Nutzfahrzeuge in Hannover (21. bis 27. September 2018) an. Noch in 2018 startet der Serienanlauf mit Auslieferung. Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH in Ludwigshafen wird der erste Kunde für den vollelektrischen Stadtbus von Mercedes-Benz sein. Zudem liegen die ersten Großaufträge vor: 20 eCitaro hat die Hamburger Hochbahn AG geordert (zwei davon werden ebenfalls 2018 übergeben), 15 Einheiten haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bestellt.

Nach Serienstart wird es noch eine Ergänzung hinsichtlich Sicherheitssysteme geben, so können künftig alle Citaro-Omnibusse mit dem "Preventive Brake Assist" ausgerüstet werden, dem ersten aktiven Bremsassistenten für Stadtlinienbusse; zudem soll ein Abbiegeassistent optional angeboten werden.

 

Fazit: "Wenn schon, denn schon", könnte man die im Vergleich zu europäischen Wettbewern doch recht späte Vorstellung von Batteriebussen seitens Daimler betiteln. Doch das Warten hast sich gelohnt, der Hersteller hat ein durchdachtes und zukunftssicheres Komplettsystem präsentiert, das sukzessive ausgebaut wird. Die weitgehende Integration in die bestehende Citaro-Familie ist richtig und gewährleistet viele Gleichteile. Dies lässt den manchmal kritisierten Erhalt des Motortums im Heck (wie bei den Varianten mit Verbrennungsmotoren) als nebensächlich erscheinen, schließlich wird er auch für die Batterien genutzt.

Was den Preis angeht, gibt es wie stets nur vage Auskünfte; allerdings wurde seitens des Herstellers bestätigt, dass der Faktor 2 bis 2,5 mit Bezug zum Dieselbus zutreffen könnte. In Kombination mit aktuellen und künftig zu erwartenden Förderprogrammen dürfte somit ein Einstieg in Sachen Batteriebus für viele Verkehrsbetriebe machbar sein. Wer immer noch zögert, sollte auch diesen Hinweis beachten: Neben den aktuellen Vorgaben hinsichtlich Abgasemissionen drohen künftig weitere Einschnitte im Straßenverkehr, es soll nämlich EU-weit auch der Lärmentwicklung an den Kragen gehen...

 

Text: JG

Fotos/Grafik: Mercedes-Benz/Daimler Buses

Die große, optisch weit nach unten ausgerichtete Frontscheibe mit integriertem Dachüberhang ist auffallendes Merkmal des neuen eCitaro; entsprechend auch die scheinbar bis ins hohe Dach reichende seitliche Fensterfront. Die elegante Linienführung der Fensterbrüstung entspricht der gesamten Baureihe

 

 

Zum Vergleich der bisher in Serie gebaute Citaro, hier die Variante mit Hybridantrieb...

 

 

...oder der im Juli 2016 in Amsterdam vorgestellte Future-Bus mit autonomer Steuerung

Oben: Gelungene Heckansicht. Links ein Blick in den "Motorraum", der hier mit verschiedenen Leitungen, Rohren, Steuerungselementen und Batteriemodulen belegt ist. Die Aufteilung mit Motorturm hinten links (in diesem Falle für die Batterien genutzt) entspricht dem Citaro mit Verbrennungsmotor

Oben: Der nur zum Dach hin neu gestaltete Innenraum des eCitaro. Ansonsten findet man Elemente, wie sie bisher aus der gesamten Citaro-Baureihe bekannt sind

 

Interessante Motive und Detailaufnahmen in der Bildergalerie (unten). Einfach anklicken...