Ohne störenden Individualverkehr ist für die BusWay-Gelenkzüge ein schneller und reibungsloser Takt gewährleistet. Einige wenige Kreuzungen werden kurz freigegeben, wenn die Steuerung der Schnellbuslinie es erlaubt bzw. eine ausreichende Lücke vorhanden ist. Nur ein forscher Radfahrer hat sich hier kurz dazu gesellt und geniesst die ansonsten freie Fahrt. Fotos: Görgler
Die Verkehrsplaner in der westfranzösischen Metropole Nantes werben für ihr Schnellbussystem mit Service und besonderer Atmosphäre. Ob der Erfolg ihnen recht gibt? Nach zwei Jahren BusWay-Betrieb ein Report über Erfahrungen und weitere Planungen.
(Okt. 2010) „BusWay, limousine rapide avec chauffeur!", heißt es auf einer Infokarte der Stadtgemeinschaft Nantes. Mit dieser Formulierung haben die Werbestrategen des halbkommunalen Verkehrsunternehmens Semitan („TAN") offenbar richtig gelegen. Denn nur zwei Jahre nach Inbetriebnahme der BusWay-Linie, die vom Vorort Vertou aus ins Nanteser Zentrum führt, nutzen täglich 25000 Fahrgäste die „schnelle Limousine mit Chauffeur". Darunter ein erheblicher Anteil von Pendlern (37 %), die bis dato ihren Arbeitsplatz per Pkw ansteuerten. Ein lohnender Wechsel in vielfacher Hinsicht: Statt jeweils morgens und abends eine dreiviertel Stunde zur Rushhour am Steuer, absolvieren die „Umsteiger" die 7 km lange Strecke in nur 17 stressfreien Minuten. Dabei fahren sie erheblich kostengünstiger als mit dem Pkw, denn ein Stundenticket kostet 1,30 Euro, ein Monatsticket 41,70 Euro, für Jahresabos und Jobtickets gibt es zusätzliche Anreize. Wohlgemerkt: Die subventionierten Fahrscheine gelten im gesamten Liniennetz des Betreibers TAN und schließen Anschlussfahrten ein. Zudem wurden in den Außenbezirken nahe der straßenbahntypischen Haltestellen große P&R-Parkplätze eingerichtet, die in Verbindung mit den Fahrscheinen kostenfrei sind. Gleichzeitig hat die Stadt wertvolle Stellflächen im Zentrum für Dauerparker gesperrt oder nur noch für Anlieger freigegeben. Schließlich konnte das Verkehrsaufkommen auf der betreffenden Linie 4 - früher eine mehrspurige Schnellstraße - um 28 % von täglich 25000 auf 18000 Fahrzeuge reduziert werden. Somit ist das Verkehrsgeschehen im Zentrum insgesamt spürbar ruhiger geworden. Die Fahrzeiten des BusWay-Systems beginnen übrigens um fünf Uhr morgens und enden erst nachts gegen 0 Uhr 30, was den Betriebszeiten der Straßenbahn entspricht.
„Lange Gesichter"
In und um Nantes hat man den drohenden Verkehrskollaps bereits frühzeitig erkannt und in den 80er Jahre ein modernes Straßenbahnnetz aufgebaut. Die drei Durchmesserlinien verbinden verschiedene Vorortbezirke über das eigentliche Stadtzentrum mit Anschluss an weitere Linienverkehre, zu denen neben Buslinien sogar Navibusse (Linienschiffe auf der Loire) zählen. Nicht ausreichend eingebunden in das ansonsten sehr gute ÖPNV-Netz war der zunehmend gefragte Vorort Vertou. Eine weitere Straßenbahnlinie wurde angedacht und nicht zuletzt wegen Streichung der bis dato möglichen staatlichen Förderung als zu teuer empfunden. Zunächst mit „langen Gesichtern" reagierten die Vertreter der Stadtgemeinschaft Nantes auf die Idee, alternativ ein Schnellbussystem einzurichten, erzählt Projektleiter Damian Garrigue beim Vororttermin mit Regionalverkehr. Pro und Kontra habe man sorgfältig diskutiert: Bedenken hinsichtlich Kapazität, Fahrkomfort und Akzeptanz auf der einen, Flexibilität und Kostenvorteil einer Buslinie auf der anderen Seite. Mit einem Konzept, dass einen sehr guten Service, enge Taktzeiten und eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit gewährleistete, habe es schließlich Zustimmung für das BusWay-System gegeben. Ausschlaggebend waren jedoch die erheblich günstigeren Investitionskosten: 7,5 Mio. Euro pro Streckenkilometer im Vergleich zu 22 Mio. Euro je Straßenbahn-Kilometer.
BusWay: Die Trasse
Um den Omnibussen - wegen der Kapazität kamen nur Gelenkvarianten in Frage - absoluten Vorrang einzuräumen, wurde für jede Richtung eine autonome Trasse eingerichtet. Das geschah bewusst auf Kosten des Individualverkehrs, der parallel nur noch einspurig verläuft. An Kreuzungen, Kreisverkehren oder auf einem kleinen Teilstück im Außenbezirk, wo die Fahrspur noch mit dem Autoverkehr geteilt werden muss, haben die Gelenkbusse stets Vorfahrt. Die grüne Welle für das BusWay-System wird durch Induktionsstreifen in der Fahrbahn und Funksignale elektronisch gesteuert. Konsequent auf den Schnellbusbetrieb ausgerichtet haben die Planer die modern gestalteten Haltestellen. So verengt sich die BusWay-Trasse vorher derart, dass die Fahrer nicht an die Steige heranfahren müssen, sondern geradlinig halten und ohne Schwenk wieder flott abfahren können. Der Bordstein der Plattformen wurde deshalb leicht abgeschrägt und aus geschliffenem Granit gestaltet, um den Reifenverschleiß durch unerwünschten Kontakt niedrig zu halten. Dass dies eine weise Voraussicht war, zeigen zahlreiche Gummispuren an den Schrägen. Eine Selbstverständlichkeit ist es heutzutage, dass der Einstieg in die Busse behindertengerecht gestaltet sein muss. Auch hier gibt es wieder eine Nanteser Spezialität: An den Haltestellen wurde die ansonsten 14 Zentimeter hohe BusWay-Trasse derart abgesenkt, dass zwischen Plattform und Niederflurboden nur noch ein Höhenunterschied von knapp fünf Zentimetern besteht. Diese geringe Distanz wird durch elektrisch betätigte Minirampen an der zweiten und dritten Tür überbrückt, die bei jedem Halt automatisch ausfahren. Die häufig zu hörende Skepsis in Bezug auf elektrische Rampensysteme kann Damian Garrigue nicht teilen. Ob die zuverlässige Funktion durch die intensive, regelmäßige Nutzung begünstigt wird?
Exklusive Ausstattung
Bereits von außen signalisieren die 20 erdgasbetriebenen Citaro-Gelenkbusse, dass sie etwas Besonderes sind, denn das Design wurde ähnlich wie bei der überlangen 19,5 m langen CapaCity-Variante in Richtung Straßenbahn getrimmt. Nach oben hin sind die Fahrzeuge über den Dachrand hinaus verkleidet worden. Durch diese fiktive Dachanhebung werden die Gastanks weitgehend verdeckt. Zudem wurde der Faltenbalg auf die Höhe des Dachrandes angepasst, um beim Gelenk keinen Bruch in der Linie entstehen zu lassen. Die weit nach unten gezogenen Radlauf-Verkleidungen der Mittel- und Hinterachse sowie die doppelt verglasten, venusgrün getönten Seitenscheiben machen die Illusion einer Straßenbahn fast perfekt. Dazu passend rundet die Silberlackierung mit gelb abgesetzten Linien und großen schwarzen Flächen über und unter den Seitenscheiben das Design gelungen ab.
In das Fahrzeuginnere gelangen die Passagiere über vier Türen, die einen zügigen Fahrgastwechsel gewährleisten. Der gesamte Innenbereich ist durch sechs Kameras videoüberwacht. Ein dynamisches Fahrzeug-Informationssystem zeigt auf mehreren im Gelenkbus verteilten Monitoren den aktuellen Streckenverlauf und die Abfahrtzeiten von Anschlussfahrten in Echtzeit an. Komplett vom Fahrgastraum isoliert präsentiert sich der abgerundete Fahrerarbeitsplatz. Durch den ersten, rechtseitigen Türflügel mit Trennwand zum öffentlichen Einstieg hat ausschließlich der Fahrer Zutritt zum Cockpit. Somit kann er sich komplett dem Fahrbetrieb widmen, denn der Ticketverkauf erfolgt ausschließlich über Haltestellen-Automaten, die Kontrolle über die gängigen Entwerter.
Ein exklusives Interieur mit komfortabler Bestuhlung, Lichteffekten, bogenförmigen Edelstahlelementen und Ahorndecke trägt dazu bei, dass sich die Fahrgäste wohlfühlen. Gelb, weiß oder blau getönte Wandlämpchen markieren Vorderwagen, Gelenkbereich und Nachläufer als unterschiedliche Abteile. Zweifelsohne wirken diese Effekte in den Abendstunden oder der dunklen Jahreszeit besonders. Die Atmosphäre erinnert dann fast an Jules Vernes, den berühmten Sohn der Seehafenstadt, der für sein fiktives Tauchboot Nautilus bereits 1870 visionäre Ideen mit einer Brise Romantik verknüpft hatte. Ob Stadt und Betreiber daran dachten, als sie gemeinsam mit EvoBus über Innen- und Außendesign der BusWay-Fahrzeuge diskutierten?
Linie 5 in Planung
Kaum ist die Linie 4 gut in Betrieb, wird bereits über eine weitere BusWay-Trasse diskutiert, die vom Zentrum aus über Hauptbahnhof und Loire-Insel in die westlich gelegenen Randbezirke führen soll. Ob die Linie 5 denn tatsächlich wieder eine Bus-Trasse werden wird, ist für Damian Garrigue noch offen. Ausschlaggebend soll diesmal die mögliche Beförderungsleistung sein. Auf der Linie 4 sieht er unter Maximalbetrieb - derzeit werden von den 20 Buszügen selbst zu Stoßzeiten nur 17 eingesetzt - bei 30000 Fahrgästen das Limit erreicht. Somit besteht noch Spielraum nach oben, zumal eine Taktrate von zwei Minuten denkbar wäre. Für die Linie 5 werden jedoch bereits heute täglich 40000 Passagiere kalkuliert. Der Einsatz von Straßenbahnen mit einer Kapazität von 250 bis 350 Personen je Zug würden dies auf der vorgesehenen Route sicherstellen. Da kann der Bus nicht unbedingt mithalten, selbst als 24-m-Version in Doppelgelenkausführung, die in Frankreich derzeit ohnehin nicht erlaubt ist. Während der Reportage für den Regionalverkehr war auch Michael Göpfarth vor Ort, Markensprecher und Vertriebschef für Mercedes-Benz-Omnibusse. Er schloss denn auch die nur schwer rangierbaren Doppelgelenkvarianten für sein Haus aus. Stattdessen setzt Göpfarth weiterhin auf den günstigen Kosten-Nutzen-Effekt des BusWay-Systems und die Zuverlässigkeit der Citaro-Technik. Vom reibungslosen Ablauf und der gelungen Integration einer Schnellbus-Linie in das Straßenbahnnetz beeindruckt, wünschte er sich, dass derartig wirtschaftliche Lösungen auch in Deutschland verstärkt zum Einsatz kämen.
BusWay-Fazit
Die gründliche Planung und Umsetzung des BusWay-Systems überzeugt ebenso wie das konsequente Wirken der Stadt Nantes für eine Reduzierung des Individualverkehrs im Zentrum. Ziel ist übrigens eine Pari-Situation von 50 : 50 Prozent entsprechend Bus/Bahn/Fahrrad und Autoverkehr. Die Linie 4 als BusWay-Trasse einzurichten, war kein einfaches Unterfangen, da etliche Hürden wie ansteigende Brücken und Hügel eingebunden werden mussten. An den Übergängen zu den Steigungen wird der Unterschied zwischen Bus und Straßenbahn spürbar, zumindest, wenn man von gepflegtem Gleismaterial ausgeht, wo eine Tram ihre Laufruhe ausspielen kann. Mit Einzelradaufhängung vorne, wie in den Citaro-Bussen der Generation nach 2006, sowie einer Wank-/Nickregelung mit elektronisch geregelten Dämpfern ließe sich der Fahrkomfort in den genannten Situationen noch verbessern. Dies sei nämlich der einzige Kritikpunkt, der trotz großer Akzeptanz der Linie 4 gelegentlich von Fahrgästen zu hören ist, wie Damian Garrigue erläuterte. Darüber hinaus macht die gelungene Optik der BusWay-Citaros einfach Freude beim Hinschauen. Ein wenig Mut würde in dieser Hinsicht auch in Deutschlands Städten für positives Aufsehen sorgen - selbst wenn der Druck zum Sparen vorhanden ist und eine „Limousine mit Chauffeur" ihren Preis hat. Leider verhindert nicht selten ein vorhandenes Blockdenken die Integration einer Busbahn in das bestehende Straßenbahnnetz.
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Nantes: Gut verbunden!
Die Region bzw. Stadtgemeinschaft Nantes besteht aus 24 Ortsgemeinden mit insgesamt 580000 Einwohnern (Nantes allein 290000), wovon 255000 berufstätig sind. Zweck des Zusammenschlusses ist es, wichtige kommunale Vorhaben gemeinsam bestmöglich und wirtschaftlich anzugehen. Neben Wasserversorgung, Müllabfuhr und Straßenbau bilden Betrieb und Erweiterung des öffentlichen Personenverkehrs einen Schwerpunkt der Aktivitäten. Im Jahr 2000 wurde ein Mobilitätsplan beschlossen, dessen Ziel ein Gleichgewicht zwischen Individualverkehr und ÖPNV vorsieht. Mit der BusWay-Route, die fünf frühere Buslinien ersetzt, ist man diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen. Das Liniennetz der Region Nantes gilt landesweit als vorbildlich und umfasst derzeit:
● 3 Straßenbahnlinien (Gesamtlänge 42 km)
● 1 BusWay-Linie (7 km)
● 60 herkömmliche Buslinien
● 6 Expressbus-Linien
● Navibusse (ins Netz integrierte Schiffslinien)
● 3 Schnellzug-Linien
● 4 Regionalexpress-Linien mit 11 Bahnhöfen
● 38 P&R Parkplätze (5200 Stellplätze)
Insgesamt wurden 2007 in der Stadtgemeinschaft Nantes 23,5 Mio. ÖPNV-Kilometer während 110 Mio. Fahrten absolviert, je Einwohner 39,2 km und 190 Fahrten. Betreiber der Bus- und Straßenbahnlinien
ist das Verkehrsunternehmen Semitan (= Société d'économie mixte des transports en commun de l'agglomération nantaise), unter dem Kürzel „TAN" bekannt. Semitan gehört zu 65 % der Stadtgemeinschaft
Nantes Métropole, des weiteren sind Banken und der Verkehrkonzern Transdev beteiligt. Über den ÖPNV hinaus ist Nantes an das Schnellzugsystem TGV angebunden (Paris - Nantes 2 ¼ bis 2 ½ Std.) und
verfügt über einen internationalen Flughafen (Nantes Atlantique).
BusWay kompakt
● Hohe Servicequalität (Fahrleistung, Akzeptanz, Komfort, Barrierefreiheit) entsprechend dem Straßenbahnnetz
● Integration in das städtische Verkehrskonzept
● 6 P&R-Parkplätze mit 1250 Stellplätzen
● Verkehr auf separaten Busspuren
● Signalbevorrechtigung an Kreuzungen
● Bushaltestellen konzipiert wie Straßenbahnhaltestellen mit Informationen in Echtzeit und Fahrkartenautomaten
● 20 speziell karossierte Gelenkbusse (MB Citaro) mit Erdgasantrieb
● Max. Fahrgastkapazität je Einheit: 38/119 Steh-/Sitzplätze
● 17 Haltestellen inkl. Endstationen
● Dichte Taktung: 3,5 - 4 Minuten
● Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 - 25 km/h, je nach Einsatzzeit
● 17 - 20 Minuten Fahrzeit von Porte de Vertou bis ins Zentrum von Nantes
● Die Citaro-Gelenkzüge werden vom Erdgasmotor M 447 hLAG mit 240 kW (326 PS) Leistung angetrieben. Der Treibstoff, auf 200 bar verdichtet (CNG), befindet sich in acht Tanks auf dem Fahrzeugdach
Die modernen Schnellbus-Systeme beeindrucken mich immer wieder. Im Vergleich zu schienengebundenen ÖPNV-Einrichtungen (Straßenbahn, U-Bahn) sind sie erheblich kostengünstiger
und flexibler zu betreiben. Ursprünglich für südamerikanische Staaten entwickelt, werden Schnellbussysteme – international unter dem Kürzel BRT (Bus Rapid Transit) ein Begriff – zunehmend auch in Europa installiert. Das BusWay-System in Nantes ist ebenso innovativ wie der
Schnellbusgürtel um Amsterdam oder gar die neue Metrobusstrecke in Istanbul, die Europa mit Asien kreuzungsfrei und schnell verbindet. Auch am Bospurus fahren modernste Stadtbusse: Mercedes-Benz
hat für die Metrobus-Linien insgesamt 250 (!) Einheiten des Typs CapaCity geliefert. Der überlange Gelenkbus (19,5 m) tritt mit ähnlichem Design wie die Gelenkzüge in Nantes
an.
Jürgen Görgler