Die beiden Speichereinheiten mit jeweils 16 Supercaps sind im Heckbereich auf dem Dach montiert. Foto: Daimler Buses
1.2.2018. Die Südwestdeutsche Verkehrs-Aktiengesellschaft (SWEG) hatte im Januar dieses Jahres in den Stadtverkehren Lahr und Weil am Rhein einen Bus des Typs Mercedes-Benz Citaro Hybrid getestet. Der Test im Realbetrieb ergab, dass durch das Hybrid-System rund sechs Prozent Kraftstoff eingespart werden kann. Laut Stephan Wisser, Leiter des SWEG-Fachbereichs Bus-Technik/-Werkstätten, entspräche das „ungefähr“ den Angaben des Herstellers (bis zu 8,5 %, siehe Beitrag weiter unten); auch mit der Zuverlässigkeit der Technik waren sei man sehr zufrieden gewesen.
Der Mercedes-Benz Citaro Hybrid verfügt über einen 48-Volt-Elektromotor, der den regulären Verbrennungsmotor beim Anfahren entlastet. In den Brems- und Schubphasen arbeitet der Elektromotor als Generator (Rekuperation); die so gewonnene Energie wird in zwei Dachmodulen (mit je 16 Doppelschichtkondensatoren) gespeichert und nach Bedarf abgerufen. Diese Technik ermöglicht neben der Kraftstoffeinsparung auch abgasreduziertes Anfahren an den Haltestellen.
Vor dem Testbetrieb waren die Fahrer geschult worden, weil bei der Hybridtechnik eine besonders vorausschauende Fahrweise nötig ist, will man optimale Ergebnisse hinsichtlich Verbrauchsreduzierung erzielen. Darüber hinaus hatten sich für die Busfahrer in puncto Bedienung oder Fahrweise keine Änderungen ergeben.
Erfahrungen sammeln
„Wir haben den Bus getestet, weil wir als innovatives Unternehmen mit allen Antriebsarten eigene Erfahrungen sammeln möchten“, erklärt Stephan Wisser. So waren bei der SWEG zum Beispiel bis zum Jahr 2015 Gasbusse im Einsatz. Erfahrungen mit reinen E-Bussen machte das Verkehrsunternehmen 2014 in der Ortenau und 2015 in Weil am Rhein und auch während der diesjährigen Landesgartenschau in Lahr. Nach wie vor befinden sich außerdem zwei ältere Hybridbus-Modelle im Fuhrpark der SWEG.
Zukünftige Einsatzmöglichkeiten
Könnte der aktuell getestete Mercedes-Benz Citaro Hybrid zukünftig eine echte Alternative für die SWEG sein? „Das wäre schon vorstellbar“, schätzt Stephan Wisser ein und verweist auf die reduzierten Abgase und die Kraftstoffeinsparungen. Ein Einsatz könne sich vor allem für Stadtverkehre lohnen, bei denen zwischen den Haltestellen kurze Abstände sind – zum Beispiel in Lörrach oder Weil am Rhein. Zur Erläuterung:
Über das Unternehmen
Die SWEG ist ein Unternehmen, das in Baden-Württemberg und teilweise angrenzenden Gebieten Busverkehre im Stadt- und Überlandsegment sowie Schienengüter- und Schienenpersonennahverkehr betreibt. Im Jahr 2018 wird die Fusion mit der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL) mit Sitz in Hechingen vollzogen. In dem fusionierten Unternehmen arbeiten rund 1200 Mitarbeiter.
EB/SWEG
Neu: Mercedes-Benz bietet jetzt Hybridtechnik für alle Stadtbusse der Baureihe Citaro an
14.9.2017. Noch vor dem erwarteten Batteriebus (Premiere voraussichtlich 2018) hat Mercedes-Benz jetzt die Hybridtechnik für seine Stadtbusse wiederbelebt; und zwar nicht nur als eine Modellvariante, vielmehr als Option für das gesamte Citaro-Programm – unabhängig davon, ob ein Diesel- oder Gasmotor als Antriebsquelle dient. Die Premiere wird auf der Busworld 2017 stattfinden.
Die Grundfunktion des Citaro hybrid ist denkbar einfach: Der Elektromotor arbeitet beim Verzögern des Omnibusses als Generator und wandelt Bremsenergie in Strom um. Dieser Strom wird
gespeichert und steht dem
Elektromotor zur Unterstützung des Verbrennungsmotors vor allem beim Anfahren zur Verfügung.
Die Antriebstechnik dahinter ist verblüffend unkompliziert aufgebaut. Eine Kernkomponente des Hybridantriebs ist der Elektromotor. Das scheibenförmige Aggregat mit integrierter
Leistungselektronik ist als permanent erregte Synchronmaschine mechanisch sehr robust. Der Elektromotor wird zwischen Verbrennungsmotor und Automatikgetriebe eingesetzt. Seine Leistung beläuft
sich auf maximal 14 kW, das Drehmoment auf 220 Nm.
Der Elektromotor des Citaro hybrid unterstützt den Verbrennungsmotor in erster Linie bei hoher Leistungsanforderung, insbesondere beim Anfahren. Er dient dabei jedoch
nicht zur Steigerung der Maximalleistung, deshalb bleiben die Angaben für Leistung und Drehmoment des Omnibusses unverändert. Vielmehr entlastet der Elektromotor den Verbrennungsmotor und
steigert die Anfahrperformance. Die Drehzahl des Verbrennungsmotors wird dabei nicht reduziert, sondern lediglich die Spitzenleistung unmerklich zurückgenommen und durch den Elektromotor
ersetzt.
Darüber hinaus verbessert bei Leerlaufdrehzahl ein leichtes Boosten durch den Elektromotor den Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors. Beides zusammen schlägt sich laut Hersteller in einer
deutlichen Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs nieder.
In den Brems- und Schubphasen des Omnibusses arbeitet der Elektromotor als Generator (Rekuperation). Der so gewonnene Strom wird in Doppelschichtkondensatoren (Supercaps) gespeichert. Diese
Stromspeicher kennzeichnen eine hohe Leistungsdichte, sind unempfindlich gegen Leistungsspitzen und verfügen daher über eine große Lebensdauer. Im Unterschied zu Batterien eignen sich Supercaps
somit ganz besonders für den fortlaufenden schnellen Wechsel zwischen Ladung und Entladung beim Anhalten und Anfahren im typischen Stadtbuszyklus.
Ein einmaliges Abbremsen des Citaro hybrid aus 50 km/h bis zum Stand genügt, um die Stromspeicher aufzuladen. Der Stromspeicher besteht aus zwei Modulen. Jedes Modul
enthält 16 Doppelschichtkondensatoren. Beide Module zusammen verfügen über eine Gesamtkapazität von 2 Ah und sind platzsparend hinten auf dem Dach montiert. Eine gelochte Aluminiumabdeckung
schützt die Module vor äußeren Einwirkungen. Gleichzeitig ist damit die notwendige Kühlung durch den Fahrtwind gesichert. Ein Inverter (Wechselrichter) wandelt den gespeicherten Gleichstrom in
Wechselstrom zum Antrieb des Elektromotors um. Sowohl der Inverter als auch der E-Motor sind wassergekühlt. Der Zusatzkühler für diese Niedertemperaturkühlung mit maximal 65 Grad Celsius ist
platzsparend auf der linken Fahrzeugseite unmittelbar vor dem Fahrzeugkühler angeordnet.
Wichtig: Für den Citaro hybrid haben die Konstrukteure auf ein aufwendiges Hochvoltnetz mit den dafür notwendigen Einschränkungen und Sicherheitsanforderungen verzichtet. Vielmehr kommt
erstmals im Nutzfahrzeug ein separates 48 Volt-Netz zum Einsatz, analog zu Pkw mit Hybridantrieb von Mercedes-Benz.
Ein großer Vorteil des kompakten und unkomplizierten Hybridantriebs: Der benötigte Bauraum ist gering, die Außenkonturen des Busses bleiben ebenso unverändert wie der Innenraum – womit
auch keine Fahrgastsitze verloren gehen. Nur ein Wartungsdeckel im Fußbodenbereich wurde angepasst. Das Mehrgewicht des Hybridantriebs beläuft sich auf lediglich 156 kg, nur ein
Bruchteil des Gewichts anderer elektrischen Antriebe. Daher verringert sich die Gesamtzahl der Fahrgastplätze nur unwesentlich und hat in der Praxis keine Bedeutung: Der Citaro hybrid
mit Dieselmotor bietet in Serienausstattung als Solowagen mit 18 t zulässigem Gesamtgewicht bis zu 105 Fahrgastplätze und als Gelenkbus 159 Fahrgastplätze.
Die Entwickler des Citaro hybrid setzen auf bewährte Komponenten und nutzen die engen Verknüpfungen und vielfältigen Erfahrungen innerhalb des Daimler Konzerns. Diese Komponenten sind
erprobt, senken durch vergleichsweise hohe Stückzahlen die Kosten und vereinfachen die Ersatzteilversorgung.
So findet der Elektromotor des Citaro hybrid bereits als Startergenerator bei der neuen Mercedes-Benz S-Klasse Verwendung. Der zusätzliche Kühler für E-Motor und Inverter wird bei
Mercedes-Benz Trucks verwendet, die Wasserpumpe arbeitet in Pkw mit Stern. Die Supercaps als Energiespeicher sind Kennern des Citaro bereits als Rekuperationsmodul bekannt. Diese speichern dort
zusätzlich zu den Fahrzeugbatterien den durch Rekuperation gewonnenen Strom und stellen ihn beim Anfahren oder an bergigen Passagen zur Verfügung. Das entlastet den Generator, somit den
Verbrennungsmotor und senkt damit den Kraftstoffverbrauch. Diese Technik findet ebenfalls im Citaro hybrid Verwendung.
Serienmäßig ist der Citaro hybrid mit einer weiteren neuen Komponente ausgestattet, der Lenkung „intelligent eco steering“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine
elektrohydraulische Lenkung. Arbeitet bei einer herkömmlichen hydraulischen Lenkung die Kraftunterstützung fortlaufend, so ist sie bei einer elektrohydraulischen Lenkung nur bei Bedarf im
Einsatz, wenn der Fahrer also das Lenkrad einschlägt. intelligent eco steering ist abseits des Citaro hybrid als Option für das gesamte Programm der Stadtbusfamilie einschließlich des
Großraumbusses CapaCity zu bekommen.
Der Hybridantrieb ist als Sonderausstattung für sämtliche Citaro in Verbindung mit dem Reihensechszylinder-Dieselmotor Mercedes-Benz OM 936 G in stehender und liegender Ausführung
lieferbar. Somit umfasst das ungewöhnlich breite Angebot des Citaro hybrid den kompakten Citaro K, den Solobus Citaro, den Gelenkbus Citaro G sowie den Low-Entry Citaro LE in
allen Varianten.
Der Hybridantrieb steht zudem für den Citaro NGT mit Gasmotor M 936 G zur Verfügung – die Kombination von Gasmotor und Hybridantrieb ist bisher eine seltene Lösung und mit Blick
auf die besonders geringe Umweltbelastung durch den Gasmotor von hohem Reiz. Auch hier gibt es den Hybridantrieb sowohl für den Solobus Citaro NGT als auch für den Gelenkbus Citaro G NGT.
Ausgenommen vom Hybridantrieb sind aus Gründen des Bauraums nur die Modelle des Citaro mit dem stärkeren Dieselmotor MB OM 470 sowie aus dem gleichen Grund die Großraumbusse der Reihe
CapaCity. Was die Getriebe angeht: Der Hybridantrieb ist durchweg mit den gewohnten Automatikgetrieben von ZF und Voith kompatibel.
Der Citaro hybrid läßt sich problemlos in bestehende Fahrzeugflotten, in vorhandene Linienführungen und Fahrpläne der Unternehmen integrieren. Aufgrund des geringen Mehrgewichts bleibt
die Gesamtzahl der Fahrgastplätze nahezu identisch. Ebenfalls gibt es keinerlei Einschränkungen für Streckenprofil oder Reichweite. Die Fahrzeughöhe bleibt im Vergleich zum Citaro mit Klimaanlage
unverändert. Wegen dieser flachen Bauweise müssen Fahrzeugrouten, Einfahrtore in Hallen und Werkstätten oder Abstellplätze nicht angepasst werden.
Auch die Fahrer spüren hinter dem Steuer des Citaro hybrid weder bei der Bedienung noch im laufenden Betrieb einen Unterschied. Selbst die Instrumentierung ist identisch. Schulungen sind daher unnötig. Ebenso ist der vielerorts übliche schnelle Wechsel der Fahrer während des Linienbetriebs oder ein Wechsel zwischen unterschiedlichen Omnibussen völlig unproblematisch.
Für die Betreiber von Bedeutung: Iim Vergleich zum anerkannt effizienten Citaro mit Verbrennungsmotor soll der Verbrauch des Citaro hybrid laut Mercedes-Benz um bis zu 8,5 Prozent sinken, abhängig von Einsatzstrecke und Fahrzeugausführung. Und: Die Lebensdauer aller Komponenten ist auf Fahrzeug-Lebensdauer ausgelegt, die beim Stadtbusbetrieb in der Regel einem Dutzend Jahre entspricht. Darüber hinaus schont die unterstützende Funktion des Hybridantriebs den Verbrennungsmotor im Hochlastbereich. Gleichzeitig werden durch den Einsatz des Elektromotors als Stromerzeuger die Bremsen entlastet, das spricht für eine spürbar längere Lebensdauer von Bremsscheiben und -belägen.
Service und Werkstätten sollen es mit dem Citaro hybrid ebenfalls leicht haben. Neben den bewährten Serienteilen für Elektromotor, Stromspeicher und Kühlung ist dabei der Verzicht auf Hochvolttechnik ein entscheidender Faktor. Die 48 Volt-Anlage ist somit ungefährlich im Umgang. Auf umfangreiche Schulungen des Werkstattpersonals kann also ebenso verzichtet werden wie auf Spezialwerkzeug oder besondere Ersatzteile. Alle Nebenaggregate des Citaro hybrid bleiben unverändert und werden konventionell angetrieben. Die Wartungsintervalle des Citaro hybrid sind mit 60.000 km oder einmal im Jahr ebenfalls identisch, das gilt auch für sämtliche Wartungspunkte des herkömmlichen Antriebsteils. Die Fahrzeugpflege ist ebenso risikofrei, einschließlich Fahrten durch Waschstraßen.
Fazit: Die wesentlichen Argumente für den neuen Citaro hybrid sind seine rationelle Technik samt zu erwartender Wirtschaftlichkeit, wobei der zu erwartende Minderverbrauch auch unter Umweltgesichtspunkten Pluspunkte einheimst. Die Kombination von minimalen Veränderungen am Ausgangsfahrzeug mit maximaler Kraftstoffeffizienz scheint gelungen, beispielhaft auch für andere Fahrzeugtypen. Was den Aufpreis für die neue Hybrid-Variante des Citaro angeht, läßt sich Daimler Buses bzw. Mercedes-Benz nicht festlegen; es heißt lediglich, dass man eine "gesamthafte TCO-Betrachtung mit Kapitalkosten, Energiekosten, Reparatur und Wartung" sehen solle. Man geht davon aus, dass sich der höhere Anschaffungspreis in Bezug auf die zu erwartendene Kraftstoffersparnis (bis zu 8,5 %) nach vier Jahren amortisiert hat, bei einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 60.000 km.
JG/Fotos Daimler Buses
Die Supercaps (oben) für die Rückspeicherung der Bremsenergie sind hinter der Dachblende im Heckbereich des Citaro hybrid versteckt. Unten: Im Motorbereich hat sich scheinbar nichts verändert. Der kompakte Elektroantrieb sitzt zwischen Verbrennungsmotor und Automatikgetriebe