“The Original Tour” hat in London in Westminster den ersten vollelektrischen Hop-on/Hop-off Cabrio-Sightseeingbus in Betrieb genommen. PRESS ASSOCIATION Photo / Matt Alexander/PA Wire

London: Cabrio-Doppeldecker mit E-Antrieb von Ziehl-Abegg

26.10.2018. Der erste elektrisch angetriebene Londoner Cabrio-Sight-seeingbus fährt mit einem Antrieb von Ziehl-Abegg. Gebaut wurde der Doppeldecker bei Unvi in Spanien, der Motor kommt aus Kupferzell. Betreiber ist „The Original Tour“, ein Tochterunternehmen der internationalen RATP-Gruppe.

Unvi gilt als weltgrößter Hersteller von Stadtrundfahrtenbussen und ist bekannt für maßgeschneiderte Busanfertigungen. Als Partner haben sich die Spanier erfahrene Komponentenhersteller ausgesucht: BMZ für die Batterien, Ziehl-Abegg Automotive für den Antriebsstrang und SAV Studio für die Systemintegration.

Die Anforderungen bei Cabrio-Doppeldeckerbussen ist enorm: Da diese Busse kein Dach haben, können oben auf dem Fahrzeug keine Batterien platziert werden. Allerdings: In Verbindung mit dem hohen Wirkungsgrad des Elektroantriebs konnten die Batterien kleiner ausfallen und im Fahrzeug integriert werden. Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben haben Diesel-Busse bei Stadtrundfahrten deutliche Nachteile gegenüber elektrisch angetriebenen Bussen: Denn die ständigen Starts und Stopps belasten Motor und Getriebe sehr stark, benötigen sehr viel Kraftstoff und beim Bremsen geht die Energie komplett verloren – bei Elektrobussen hingegen wird die Bremsenergie zum Wiederaufladen der Batterie genutzt (Rekuperation).

Der in London in Betrieb genommene Doppeldecker-Cabriobus mit E-Antrieb ist 12 Meter lang und zweiachsig. Im Innenraum gibt es 75 Sitzplätze. Das Fahrzeug ist für eine Reichweite von 150 Kilometern konzipiert. Damit weist der Elektrobus dieselben Eckdaten wie ein konventionell angetriebener Bus für Stadtrundfahrten auf – allerdings mit gewaltigen Vorteilen bei Geräusch und Feinstaub.

Den Elektroantrieb ZAwheel gibt es für die Betreiber von Hop-on/Hop-off-Linien für Neufahrzeuge oder zur Nachrüstung, wie etwa bei einem Cabrio-Doppeldeckerbus aus dem Jahr 1975 für Berlin.

Der Elektromotorenbauer Ziehl-Abegg bietet mit seinem ZAwheel einen echten Radnabenantrieb an: Der Motor sitzt mit der kompletten Steuerungselektronik in der Radnabe. Da Getriebe Energie schlucken, ist die ZAwheel-Technologie effizienter als Elektromotoren, die nur an der Radnabe sitzen und das Rad mittels eines Getriebes antreiben. Da das ZAwheel ohne Getriebe auskommt, fallen dafür auch keine Wartungskosten an – von der Abnutzung ganz zu schweigen.

RATP Dev wurde 2002 gegründet und betreibt und wartet urbane Transportsysteme in 14 Ländern auf vier Kontinenten (Großbritannien, Frankreich, Italien, Schweiz, Algerien, Marokko, Südafrika, Saudi-Arabien, Katar, Indien, China, Südkorea, den Philippinen, und den USA). Mit mehr als 1,5 Milliarden Passagieren, die jedes Jahr in ihren Netzen unterwegs sind, demonstriert RATP Dev täglich sein umfangreiches und renommiertes Know-how in einer Vielzahl von Mobilitätsdienstleistungen, von Bahn-, Regional Express Rail-, Straßenbahn-, Bus-, Seilbahn- und Sightseeing-Aktivitäten. RATP Dev nutzt in Frankreich, außerhalb von Paris und über die internationalen Märkte hinweg, das technische Know-how und die Erfahrung der RATP-Gruppe, führend im Bereich von Fahrer- und Straßenbahnbetrieb und Betreiber des Pariser Netzes, eines der größten öffentlichen Verkehrsnetze der Welt.

„The Original Tour“ ist ein bedeutendes Mitglied der Vereinigung Extrapolitan (als Teil von RATP Dev und ihrer Mutterfirma RATP Group, einem weltweit führenden ÖPNV-Unternehmen). Extrapolitan wurde 2015 gegründet und ist eine Allianz von Hop-on-Hop-off-Sightseeing-Anbietern, die in 19 Städten weltweit aktiv sind. Extrapolitan bietet Touren in Paris, London, Hongkong, Nizza, Marseille, Stockholm, Tallinn, Riga, Kopenhagen, Berlin, Athen, Helsinki, Bath, Windsor, Cardiff, Budapest, Split, Rom und Monaco an. Innerhalb dieser Allianz bieten Sightseeing-Betreiber die besten Angebote und profitieren von der Stärke eines globalen Netzwerks.

Ziehl-Abegg (Künzelsau, Deutschland) gehört zu den international führenden Unternehmen im Bereich der Luft-, Regel und Antriebstechnik. Es hat schon in den fünfziger Jahren die Basis für moderne Ventilatorenantriebe gesetzt: Außenläufermotoren, die noch heute weltweit Stand der Technik sind. Ein weiterer Bereich sind elektrische Motoren, die beispielsweise in Aufzügen, medizinischen Anwendungen (Computertomographen) oder Tiefsee-Unterwasserfahrzeugen für Antrieb sorgen. Das Thema Elektromobilität im Straßenverkehr wurde 2012 bei Ziehl-Abegg Automotive angesiedelt.

Ziehl-Abegg beschäftigt 2.200 Mitarbeiter in süddeutschen Produktionswerken. Weltweit arbeiten für das Unternehmen 3.900 Mitarbeiter. Diese verteilen sich global auf 16 Produktionswerke, 28 Gesellschaften und 108 Vertriebsstandorte. Die rund 30.000 Artikel werden in mehr als 100 Ländern verkauft. Der Umsatz lag 2017 bei 540 Mio. Euro. Dreiviertel der Umsätze werden im Export erzielt.

Emil Ziehl hat die Firma 1910 in Berlin als Hersteller von Elektromotoren gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz nach Süddeutschland verlegt. Die Ziehl-Abegg SE ist nicht börsennotiert und befindet sich in Familienbesitz.

EB

 


Zukunftsstudie: Elektronantrieb ZAwheel (Ziehl-Abegg) als Einzelradaufhängung, wahlweise
mit pneumatischem oder hydropneumatischem Federungssystem. Ausgestellt zur IAA-Nutzfahrzeuge

 

Seitens Ziehl-Abegg wartet man mit Spannung auf den ersten Fahrzeughersteller, der den innovativen Radnabenantrieb mit Einzelradaufhängung in Bussen oder leichten Lkw einsetzen möchte

Neu (IAA): Einzelradaufhängung für E-Antrieb

24.9.2018. Der Elektromotorenbauer Ziehl-Abegg präsentierte in Hannover den Prototyp einer Elektroachse mit einzeln aufgehängten Radnabenmotoren. Damit könnte der nutzbare Raum deutlich ansteigen, mit neue Perspektiven für Low-Floor-Nutzung, Innenraumgestaltung und Gewichtsklasse. Mit der Neukonstruktion verbunden ist ein modularer Baukasten für die Federung, entweder klassisch pneumatisch oder hydropneumatisch. Mit einem kombinierten hydraulisches System für Bremsen und Federung sollen sich völlig neue Möglichkeiten ergeben (wozu allerdings die komplette Fahrzeugarchitektur neu aufgestellt werden muss). Wird die Einzelradaufhängung mit den Radnabenmotoren umgesetzt, ergibt sich gleichzeitig Platz für Batteriepakete im Fahrzeugunterbau, was den Schwerpunkt nach unten verlagert; somit lassen sich etwa auch elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge in Leichtbauweise gestalten.

Bei Fahrten mit hydropneumatischer Einzelradaufhängung wird die Wankbewegung in Kurven eliminiert, und zwar ohne Einsatz eines mechanischen Stabilisators. Zudem kann das Chassis komplett angehoben und gesenkt werden. Dies ermöglicht Fahrzeuge in Ultra-Low-Floor-Bauweise. „Die Einzelradaufhängung ist die konsequente Weiterentwicklung unseres ZAwheel“, unterstreicht Ralf Arnold, Geschäftsführer von Ziehl-Abegg Automotive. „Denn der extreme Platzgewinn ist nur mit echten Radnabenmotoren möglich.“ Das Beispiel Stadtbusse zeigt: „Kinderwagen oder Rollstühle können auf Grund der Durchgangsbreite die ganze Buslänge nutzen“.

Modifiziert und damit im Wirkungsgrad nochmals optimiert wurde die bisherige (starre) Hinterachse mit ZAwhell Radnabenantrieb, die nicht nur in Niederflurbussen, sondern ebenfalls in Doppeldeckern (mit ähnlicher Bodenstruktur) eingesetzt wird. So auch vom spanischen Sightseeingbus-Hersteller UNVI, der seit knapp einem Jahr Neufahrzeuge mit Radnabenantrieb anbietet. In den Städten Paris und Amsterdam sowie demnächst auch in London rollen bereits die ersten Exemplare der Doppeldeckerbusse. Weitere Städte werden folgen. Die französische Fußball-Nationalmannschaft hat ihren Triumphzug in Paris übrigens in einem UNVI-Bus absolviert: leise angetrieben von Radnabenmotoren von Ziehl-Abegg.

 

 

Ziehl-Abegg entwickelt und produziert die elektrische Antriebsachse als Plug-&-Play-Umrüstsatz für dieselbetriebene Fahrzeuge. Die E-Motoren und die Leistungselektronik sind in die Radnaben integriert. Das führt zu einer kompakten Bauform, die besonders für Niederflurbusse geeignet ist. Die Traktionsbatterie wird für diesen Anwendungszweck je nach vorgesehenem Streckenprofil angepasst. Sie ist nach dem Umbau u. a. dort untergebracht, wo sich zuvor der Dieselmotor befunden hat.

Aktuelles Beispiel für dieser Art Retrofit ist die Umrüstung von zahlreichen Touristenbussen zu Elektrofahrzeugen in Berlin. Doppeldeckerbusse, mit denen Gäste aus aller Welt ihre Rundfahrten durch die Hauptstadt unternehmen. Die Fahrzeuge waren zunächst für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Liniendienst unterwegs und wurden im Anschluss für ihre zweite Karriere in der Touristikbranche umgebaut. Nun werden Hunderte dieser Busse zu umweltfreundlichen Elektrofahrzeugen mit Radnabenantrieben von Ziehl-Abegg umgerüstet. Die Auslieferung wird 2019 beginnen.

 

 

 

 

Text: PM/Görgler, Fotos: Ziehl-Abegg, Görgler

 

Oben: Technisch auf neuestem Stand: Das vielfach bewährte starre Achsmodul mit ZAwheel Radnabenmotoren

 

Unten: Umgebauter Sightseeing-Bus mit Radnabenantrieb von Ziehl-Abegg. Dass dies nicht so einfach von der Hand geht, ist klar. An der Umsetzung war auch der Spezialist IAV beteiligt, der ähnliche Konzepte z. B. für Kommunaslfahrzeuge erstellt. Darunter die abfotografierten technischen Daten, wie Sie am Fahrzeug angebracht waren